Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

sehr geehrte Bürgermeisterinnen und Bürgermeister,

liebe Kolleginnen und Kollegen des Gemeinderates,

meine Damen und Herren,

für den Anfang der Rede habe ich Ihnen das Bild von einem ungepflegten Apfelbaum mitgebracht.

Ein Apfelbaum muss regelmäßig gestutzt werden, damit er später viele und vor allem gute Früchte bringt. Dieses Bild vom Apfelbaum passt auch auf unsere Stadtverwaltung und den Doppelhaushalt. Und was wir inzwischen alle realisiert haben sollten: Der Haushalt wird herausfordernd, das haben die Reden vor mir deutlich gemacht. Das Stutzen ist zwingend notwendig, gibt es doch viele verzweigte und wilde Äste, die wir wachsen ließen.

Die Wahrheit ist: Wir haben uns in den letzten Jahren zu viel zugemutet und können die Verantwortung nicht allein auf die äußeren Umstände abschieben. Ja, Bund und Land haben uns viele Aufgaben übertragen und nicht mit entsprechenden Finanzen ausgestattet – viele Städte und Gemeinden leiden darunter. Und natürlich ist auch die wirtschaftliche Lage angespannt und die Steuereinnahmen sinken. Aber das allein erklärt nicht, warum unsere Verschuldung stärker gestiegen ist als in vielen anderen Städten Baden-Württembergs.

Welche Verantwortung übernehmen wir? Verantwortung bedeutet, ehrlich hinzusehen und einzugestehen, wo wir an der Lage mit unseren Entscheidungen mitverantwortlich sind. Wir müssen uns eingestehen: Wir tragen maßgeblich mit an unserer finanziellen Lage – viel zu oft haben wir uns vor dem Stutzen des Apfelbaums gedrückt und zusätzlich noch Äste aufgepfropft.

1. Bauen – Wahrheit kann weh tun

Wir haben uns Projekte[1] im Lauf von zwei Jahrzehnten geleistet, die eigentlich kaum in 50 Jahren zu bezahlen sind:

Wir haben in den vergangenen Jahren große Projekte gestemmt – aber sie waren teuer, deutlich teurer als geplant.
Wir haben uns eine Kombilösung, den Neubau des Wildparkstadions und die Sanierung der Stadthalle und des Badischen Staatstheaters geleistet.

Das sind zusammen ca. 2,2 Mrd. Euro. Diesen Rucksack müssen wir nun tragen.

Diese Summen sind nicht das Ergebnis höherer Gewalt, sondern politischer Entscheidungen, die bei uns – beim Gemeinderat dieser Stadt und der Verwaltung – lagen. Es wäre ein Irrtum zu glauben, dass das nur den Investitionshaushalt betrifft: Ausgleichszahlungen an die Beteiligungen, Abschreibungen, Zinsen und Betriebskosten fließen selbstverständlich in den Ergebnishaushalt ein – und dort fehlt das Geld dann für Kultur, Bildung oder Soziales.

2. Kultur und Sport – neue Prioritäten setzen

Ein Blick auf das Wildparkstadion verdeutlicht unser Problem: Es sollte ursprünglich in 33 Jahren über die Pacht refinanziert sein. Heute wissen wir: Es wird 55 Jahre dauern – und die Stadt zahlt trotzdem jährlich ordentlich drauf. Das ist kein Vorwurf an den KSC, aber ein Hinweis darauf, dass die Verträge nicht klug und weitsichtig verhandelt wurden.

Ein weiteres Beispiel ist das Badische Staatstheater. Karlsruhe zahlt jedes Jahr rund 47 Millionen Euro für Betrieb, Sanierung und Neubau – für etwa 250.000 Besucherinnen und Besucher. Das heißt: Jeder Theaterbesuch wird mit etwa 300 Euro bezuschusst.

Die freie Kulturszene hingegen erreicht fast doppelt so viele Menschen – bei nur 6 Millionen Euro Zuschuss.

Wir wollen die Prioritäten anders setzen und fordern ab 2027 beim Staatstheater zusätzliche 2 Millionen Euro einzusparen. Mit dieser Summe unterstützen wir die freie Kultur und die Sportvereine.

3. Die Verwaltung – Vertrauen statt Kontrolle

Unsere Verwaltung hat in den letzten Jahren immer mehr Aufgaben bekommen, die sie fast gar nicht mehr bewältigen kann. Sie sollte sich auf die Kernaufgaben fokussieren und diese verlässlich und effizient erledigen können.

Früher bedeutete städtisches Handeln einen reibungslosen Ablauf in den Bereichen Wasser, Energie, Abfallwirtschaft und Sicherheit und Straßen.

Heute ist die Liste der städtischen Aufgaben sehr lang geworden – und mit jeder neuen Aufgabe wächst die Verwaltung. Selbst dort, wo Bereiche zusammengelegt und eigentlich vereinfacht werden, entstehen neue Koordinationsstellen.

Wir dokumentieren, kontrollieren, prüfen, schieben die Verantwortung weiter – statt zu gestalten. Eine städtische Mitarbeiterin sagte mir: „Wenn man uns als Stadtmitarbeiter mehr vertrauen würde, könnten wir Vieles einfacher machen.“ Das ist der entscheidende Satz.

Wenn sich jeder nur noch absichert anstatt zu entscheiden, erstarrt jede Organisation.

Ich fordere daher: Mehr Verantwortung für die Mitarbeitenden in der Verwaltung, kurze Wege – und Digitalisierung als Werkzeug, nicht als Selbstzweck. Herr Oberbürgermeister, ich ermutige Sie ausdrücklich: Wagen Sie Strukturveränderungen! Weniger Aufgaben, weniger Bürokratie – dafür mehr Effizienz und Vertrauen. Trauen wir den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadt mehr zu.

4. Zukünftige Finanzen – an die kommenden Generationen denken

Wenn wir unseren Kindern nicht noch mehr Schulden hinterlassen wollen, müssen wir in diesem und im Haushalt 2028/29 unpopuläre Entscheidungen treffen.

Die geplante Kreditneuaufnahme von 200 Millionen Euro jährlich ist zu hoch. Wir müssen an dieser Stelle den Apfelbaum stutzen, um gesund wachsen zu können. Wir dürfen nicht immer nur auf Kante nähen. Wer jedes Jahr das Maximum ausschöpft, verliert jede Flexibilität und ist auf kommende Krisen nicht vorbereitet.

Ich wünsche mir einen Haushalt, der gesund und stabil ist – ohne die Belastungen für die Bürgerinnen und Bürger unnötig zu erhöhen oder neue Steuern einzuführen.

5. Zum Schluss: Perspektive gewinnen

Herr Oberbürgermeister, Sie sprechen von einer „Liste des Grauens“! Mag sein! Festzuhalten ist jedoch auch: Es geht uns immer noch gut. Wir haben Herausforderungen vor denen wir die Augen nicht verschließen können. Aber Karlsruhe ist auch eine Stadt voller engagierter Menschen, funktionierender Strukturen, kreativer Ideen und wirtschaftlicher Innovation. Das sind gute Früchte, die wir genießen können! Und eins wird dabei klar: Die Finanzen sind nicht das Wichtigste! Die beste Frucht ist der gesellschaftliche Zusammenhalt, die Gemeinschaft in den Quartieren, die kleinen Feste. Denn was uns Studien immer wieder vor Augen führen: Glücklichsein ist vielerorts nicht ans Geld gekoppelt, sondern an die Qualität von Beziehungen und Gemeinschaft.
Es ist Zeit, die richtigen Äste zurückzuschneiden, damit unser Baum stark und gesund wird und viele Früchte tragen kann.

Lassen Sie uns diesen Haushalt anpacken und verantwortungsvoll und ohne Angst vor schwierigen Entscheidungen planen. Es ist eine Chance für uns, neu Maß zu halten und Prioritäten zu setzen für mehr Gemeinschaft und Miteinander in den Quartieren. Lassen Sie uns deshalb nicht in Angst vor der nächsten Wahl, sondern in Verantwortung für die Bürgerinnen und Bürger, die diesen Gemeinderat gewählt haben, das Beste für die Stadt suchen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

[1]https://fwfuer.de/wp-content/uploads/2022/11/FW_FUeR-Karlsruhe-Top5-Bauprojekte-Ranking-Gemeinderatsinfo-6-_-2022.pdf