Konzept „Ausstiegsprogramm für Frauen in Zwangs- und Armutsprostitution“

i

Vorgangstyp

Sachstand

Unterzeichner

GRÜNE, CDU, SPD, KAL/Die PARTEI, FDP, DIE LINKE, FW|FÜR

Veröffentlicht

14. Februar 2020

Interfraktioneller Antrag:

1. Die Stadtverwaltung legt in Zusammenarbeit mit den Prostituierten-Beratungsstellen der Diakonie Luis.e und von the justice project e.V. ein Konzept für ein Ausstiegsprogramm für Sexarbeiter*innen in Karlsruhe vor.

2. Bei dem Konzept wird der Fokus auf Frauen in Zwangs- und Armutsprostitution gelegt.

3. Das Maßnahmen-Paket für ein solches Ausstiegsprogramm in Karlsruhe beinhaltet beispielsweise: Ressourcen für Deutschunterricht und Dolmetscher*innen, psychologische Beratung in der jeweiligen Sprache, juristische Beratung und Unterstützung bei einer eventuellen polizeilichen Anzeige, Vermittlung und Zur-Verfügungsstellung von kurzfristigen Unterkünften und sozialpädagogische Begleitung.

4. Die Stadtverwaltung berichtet im Sozialausschuss und im Migrationsbeirat über die Kampagne
„Stoppt Zwangs- und Armutsprostitution“ der Stadt Stuttgart. Die Stadtverwaltung prüft, wie
eine solche Kampagne in Karlsruhe umgesetzt werden könnte.

Sachverhalt / Begründung:

Die Beratungsstelle Luis.e des Diakonischen Werkes sowie die Beratungsstelle the justice project leisten eine sehr wertvolle und schwierige Arbeit. Dies wurde unter anderem bei der Veranstaltung zum fünfjährigen Bestehen der Beratungsstelle Luis.e deutlich.

Allerdings reichen die Ressourcen nicht aus, um über die Beratung hinaus den zahlreichen daran interessierten Frauen ein Ausstiegsprogramm anzubieten. Dies wäre allerdings angesichts der elenden Lage zahlreicher Sexarbeiter*innen notwendig: Sie gehen nicht der selbstbestimmten Sexarbeit nach, sondern sind als Armuts- oder Zwangsprostituierte dazu gezwungen.

Ungefähr 600 registrierte Sexarbeiterinnen leben und arbeiten in Karlsruhe. Die Beratungsstelle Luise rechnet mit einer hohen Dunkelziffer (wegen Zwangsprostitution, Menschenhandel, Cyberprostitution usw.). Pro Tag gehen geschätzt zwischen 250 und 300 Frauen der Prostitution nach. Mehr als 70 Prozent der Frauen haben Migrationshintergrund. Fast alle ausländischen Frauen sind nach Deutschland eingereist, um der Armut in ihren Ländern zu entkommen (häufig um die eigene Familie, die Kinder zu ernähren).

Die Reise traten manche Frauen auch unter falschen Voraussetzungen an: Ihnen war nicht klar, dass sie hier in Deutschland zur Sexarbeit gezwungen werden und sie hier als (Zwangs-) Prostituierte arbeiten müssen. Die Menschenhändler*innen nehmen den Frauen nach der Einreise die Papiere ab.
Frauen ohne Meldeadresse und Papiere und ohne Deutschkenntnisse sind wehrlos. Außerdem sind diese Frauen nicht krankenversichert. Vor allem nicht krankenversicherte Schwangere befinden sich in einer äußerst schwierigen Lage.

Die Frauen werden am Rande der Legalität nach Deutschland gelockt, viele sind durch die erfahrene körperliche und seelische Ausbeutung schnell traumatisiert. Zurück können viele nicht, weil sie in ihren Heimatländern als Prostituierte stigmatisiert und ausgestoßen wären.

Die unterzeichnenden Fraktionen sehen unsere Gesellschaft in einer besonderen Verantwortung. Wir wollen die von Zwangs- und Armutsprostitution betroffenen Frauen aus ihrer Unsichtbarkeit, aus ihrer Heimatlosigkeit und Hilflosigkeit herausholen. Sie sollen deshalb in den Sozialberichten erscheinen(z.B. Armutsbericht, Migrationsbericht). Außerdem soll ein Ausstiegsprogramm angeboten werden, zu dem beispielsweise die im Antrag genannten Angebote gehören.

Die Stadt Stuttgart hat mit der Plakat-Kampagne „Stoppt Zwangs- und Armutsprostitution“ eine Wertediskussion zum Frauenbild in der Gesellschaft angestoßen. Die Menschenwürde steht dabei im Mittelpunkt der Kampagne. Adressat*innen der Kampagne sind insbesondere Freier oder Männer, die noch zu Freiern werden könnten. Stuttgart will laut eigenen Angaben eine Stadt sein, in der Zwangs- und Armutsprostitution geächtet wird.

Wie könnte eine solche Kampagne und Wertediskussion in Karlsruhe umgesetzt und angestoßen werden? Die antragsstellenden Fraktionen wünschen sich darüber eine Berichterstattung im Sozialausschuss und im Migrationsbeirat.