Was ist der Mobilitätspass und was bedeutet er für den ÖPNV?
In Baden-Württemberg diskutierten Kommunen den Nutzen der Einführung eines Mobilitätspasses als potenzielles Finanzierungsinstrument des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Viele Kommunen sind durch steigende Ausgaben, wie das Deutschlandticket, in finanzielle Engpässe geraten. Das Verkehrsministerium Baden Württemberg hat berechnet, dass eine zusätzliche Abgabe Einnahmen in Millionenhöhe generieren würden, die in die Verkehrsinfrastruktur investiert werden könnte.
Welche Kommunen machen in Baden-Württemberg mit?
Aktuell sind die Stadt Karlsruhe und die Stadt Freiburg sowie der Ortenaukreis als drei Vorreiterkommunen dabei, die Feinheiten und rechtliche Grundlage zur Einführung eines Mobilitätspass zu erarbeiten. Verkehrsminister Winfried Hermann (Bündnis90 / Die Grünen) beschreibt, der Mobilitätspass sei „eine Einladung, den umweltfreundlichen ÖPNV zu nutzen, und hilft zugleich, den Ausbau zu finanzieren.“ Im Koalitionsvertrag zwischen Grünen und CDU ist die Initiative als Teil der ÖPNV-Strategie 2030 festgehalten.
Drei Vorreiterkommunen als Modellregionen an den Mobilitätspass
Ein solcher Pass bringt eine Reihe von Vor- und Nachteilen für die Kommunen mit sich. Die Fraktionsgemeinschaft der Freien Wähler und der Wählergruppe „FÜR Karlsruhe“ hat sich Gedanken zu dieser Thematik gemacht und hat drei potenzielle Vorteile und drei potenzielle Nachteile identifiziert, die bei Diskussion berücksichtigt werden sollten.
Vorteile des Mobilitätspass für Karlsruhe
Nachhaltige Finanzierung des kommunalen ÖPNV durch Einführung des Mobilitätspasses
Den Mobilitätspass einzuführen bedeutet eine breitere finanzielle Basis und Millionen Euro pro Jahr für Bus und Bahn. Die verschiedenen Varianten, wie Einwohnerbeitrag, Arbeitgeberbeitrag, Kfz-Halterbeitrag oder Straßennutzungsgebühr schaffen eine vielfältige Finanzierungsstruktur, die nicht auf Einzelne abzielt. Die Finanzierung würde durch eine breite Schicht getragen werden und nicht eine einzelne Gruppe belasten. Auch würden höhere Kosten nicht allein von den Reisenden durch höhere Ticketpreise getragen werden.
Den Ankündigungen der Stadtverwaltung zufolge, könnte die neue Abgabe allerdings auch auf nur eine Gruppe zukommen: Die finanziellen Auswirkungen einer Nahverkehrsabgabe müssten also nur Arbeitnehmer oder nur Autofahrer zahlen. Das würde den Vorteil in sein Gegenteil verkehren (siehe Nachteil: Finanzielle Belastung durch neue Abgaben).
Entlastung Karlsruher Straßen durch höhere Mobilität auf den Schienen
Die Förderung des ÖPNV vor Ort durch den Mobilitätspass trägt zur Entlastung der Straßen bei, was besonders in Großstädten wie Karlsruhe sowie Freiburg von großer Bedeutung ist. Eine verstärkte Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs kann dazu beitragen, den Verkehr in der Stadt zu reduzieren, wenn der Reisekomfort im ÖPNV steigt.
Ausbau des Nahverkehrs in den Lankreisen
Laut Berechnungen des Ministeriums kann mit der neuen Finanzierung die Qualität des ÖPNV nachhaltig verbessert werden. Viele Bürgerinnen und Bürger meiden den ÖPNV, weil Verspätungen und mangelnder Reisekomfort zur Normalität geworden sind. Mehr finanzielle Ressourcen können dem entgegenwirken, wenn mit mehr Geld auch eine Umstrukturierung des ÖPNV einher geht. Landkreise stehen beim Ausbau des ÖPNV vor großen Herausforderungen und können finanzielle Unterstützung gebrauchen.
Nachteile des Mobilitätspasses für Karlsruhe
Finanzielle Belastung durch Nahverkehrsabgabe
Insbesondere die Einführung einer Straßenbenutzungsgebühr könnte für Einzelpersonen eine zusätzliche finanzielle Belastung bedeuten: Anwohner, Autofahrer, Arbeitgeber wären von zusätzlichen Kosten betroffen. Den Ankündigungen der Karlsruher Stadtverwaltung zufolge, könnten die gesamten Abgaben an einer Gruppe hängen bleiben, was eine unfaire Verteilung der finanziellen Belastung wäre. Es ist wichtig, sicherzustellen, dass die finanziellen Auswirkungen für die Bürgerinnen und Bürger fair und verhältnismäßig sind. Auch müssen die neuen Einnahmen sicherstellen, dass die zusätzlichen Ausgaben wirklich gedeckt werden. Ziehen sich Landesregierung und Bund aus dem Projekt zurück, bleibt die Stadt auf dem entstehenden Defizit sitzen. Auch ist es fragwürdig, ob eine weitere Abgabe für Bürgerinnen und Bürger in Zeiten steigernder Lebensmittelpreise, Mieten und Energiekosten die richtige Lösung ist.
Umsetzungsherausforderungen für Land und Kommune und den ländlichen Raum
Die Einführung des Mobilitätspass erfordert eine komplexe Umsetzung und Abstimmung zwischen verschiedenen Akteuren. Es ist wichtig, sicherzustellen, dass die Umsetzung reibungslos erfolgt, um mögliche bürokratische Hürden zu minimieren. Sollte sich eine Ausweitung der Bürokratie bereits in den Modellregionen für den Mobilitätspass andeuten, dann muss die Ausgestaltung neu durchdacht oder gestoppt werden.
Wer Teil der drei Vorreiterkommunen sein will, muss beim Mobilitätspass klar kommunizieren
Um die Akzeptanz und das Verständnis für den Mobilitätspass zu fördern, sind umfassende Informationskampagnen notwendig. Diese müssen sicherstellen, dass die Bürgerinnen und Bürger die Vorteile des neuen Finanzierungsinstruments verstehen und ihre Teilnahme als Beitrag zur nachhaltigen Mobilität erkennen. Höhere Abgaben, ohne deren Hintergrund zu erläutern, würde sich negativ auf das gesellschaftliche Klima auswirken. Der Ausbau von Bus und Bahn sind ein gesellschaftlich gewolltes Unterfangen. Bleiben aber Verbesserungen bei den Verkehrsbetrieben aus, obwohl eine neue Abgabe erhoben worden ist, muss das Land und die Kommunen bereit sein, die Verantwortung zu übernehmen.
Fazit des Mobilitätspasses und der Nahverkehrsabgabe
Die Fraktionsgemeinschaft der Freien Wählern und der Wählergruppe „FÜR Karlsruhe“ wartet auf konkrete Vorschläge der Stadtverwaltung. Die Entscheidung über die Einführung des Mobilitätspasses und Karlsruhe als Modellstadt muss durch den Gemeinderat verabschiedet werden. Es braucht also gute Argumente der Stadtverwaltung und Oberbürgermeister Frank Mentrup für eine neue Abgabe, die die Bürgerinnen und Bürger betrifft. Die Höhe der Abgabe muss klar sein, die Kosten für Technik und Verwaltung müssen gedeckt werden, die finazielle Belastung gerecht verteilt und ein ersichtlicher Ausbau des ÖPNV erzielt werden. Die Kommunen im Land müssen profitieren. Die Einwohner einer Kommune müssen hinter der Initiative stehen. Nur unter diesen Vorraussetzungen würde die Fraktionsgemeinschaft das neue Finanzierungsinstrument für den ÖPNV als echte Möglichkeit erwägen.