Baustellen-Ranking: Dafür gibt Karlsruhe am meisten Geld aus
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Neben der Corona-Pandemie und einem Missmanagement des Karlsruher Gemeinderats resultiert die Karlsruher Finanzkrise nicht unerheblich aus bewusst in Kauf genommenen Schulden für Großbauprojekte. Aber was hat dazu geführt, dass der Schuldenberg immer weiter anwächst? Hier folgt eine kritische Betrachtung der fünf größten und kontroversesten Bauprojekte in Karlsruhe in einem Ranking.
1. Badisches Staatstheater
Das neue Badische Staatstheater soll zu kulturellem Zentrumder Stadt werden. Seit 2014 laufen die Planung für die Sanierung des Mehrspartenhauses, das 1975 eröffnet worden ist. Das Theater beheimatet nicht nur Schauspiel und Volkstheater, sondern auch Konzert, Ballett, Junges Staatstheater und Oper. Die Sanierung wurde ursprünglich mit 125 Millionen Euro veranschlagt. Bis ins Jahr 2032 soll gebaut werden – ganze 12 Jahre.[1]
Aber das Projekt ist nicht frei von politischer Intransparenz und Bauproblemen. Kostensteigerungen wurden scheibchenweise verkündet, wodurch das Großprojekt wiederholt im Gemeinderat der Stadt diskutiert werden musste. Im Jahr 2015 bestätigte die Stadt auf Nachfrage der Wählervereinigung FÜR Karlsruhe (damals GfK), dass die 125 Millionen Euro Baukosten gehalten werden können und eine verbindliche Kostenkontrolle bestehe.[2] In der Antwort der Stadtverwaltung lautete es:
„die Gesamtkosten von 125 Mio. Euro wurden anhand eines Testentwurfs über Kostenkennwerte ermittelt und als Kostenobergrenze zwischen Land und Stadt vereinbart. Sie lagen der Auslobung des Wettbewerbs zugrunde und sind auch in der weiteren Planung […] verbindlich“.[3]
Für Aufsehen sorgte dann eine neue Preiskalkulation im Jahr 2017. Nach langen Verzögerungen wurde die Öffentlichkeit über den Anstieg der Baukosten auf bis zu 325 Millionen Euro informiert. Im Vergleich zu den von der Stadt eingeplanten 125 Millionen Euro ein Preisanstieg von 160 %.[4]
2021 erreichte das Bauvorhaben seinen Kostenhöchststand. Das neue Preisschild betrug nun 580 Millionen Euro, was im Gemeinderat zu einigen Diskussionen führte: Für den kostspieligen Sanierungsfall hat sich zusammen mit Oberbürgermeister Frank Mentrup auch die Kultureinrichtungen in Karlsruhe und besonders die SPD-Fraktion und die Grünen stark gemacht. Skeptisch waren die CDU, FDP, AfD und die Fraktionsgemeinschaft aus Freie Wähler und FÜR Karlsruhe.
Auf Nachfrage von Stadträtin Lorenz im Gemeinderat antwortete Oberbürgermeister Mentrup, dass der Preis 2014 politischer Natur gewesen wäre.[5] Um die Kosten im Rahmen zu halten, setzten sich einige Fraktionen zwischenzeitlich sogar für einen kompletten Neubau des Staatstheaters ein, der die Kosten der Sanierung aus dem Jahr 2017 unterboten hätte. Dass das Ende des Preisanstiegs erreicht ist, wird inzwischen von vielen Seiten angezweifelt:
„Aus verschiedenen Gesprächen haben wir erfahren, dass viele schon mit 700 Millionen Euro rechnen. Dass es bei 580 Millionen Euro bleibt, glaubt keiner. Die Vergangenheit hat uns gezeigt, dass man sich auf die angegebenen Kosten nicht verlassen kann“
so Stadtrat Friedemann Kalmbach (FW|FÜR).
Zum Vergleich: Die Elbphilharmonie in Hamburg, ein großes Politikum der letzten Jahre und ein Bauprojekt, was seine Baukosten verzehnfacht hat, kostet schlussendlich 800 Millionen Euro. Nach den Berechnungen der Fraktionsgemeinschaft Freie Wähler | FÜR Karlsruhe also nur 100 Millionen Euro mehr als das Badische Staatstheater.[6]
Eine „wirtschaftliche Lösung“, wie es als Ziel der Stadtverwaltung ausgegeben wurde, wird weit verfehlt. Die Abbezahlung des Staatstheaters wird die Stadt über eine Laufzeit von mehr als 20 Jahren ca. 20 Millionen Euro jährlich kosten. Mit einer derzeitigen Baupreiserhöhung um 460 % damit die klare Nummer 1 der großen Bauprojekte der Stadt.
2. Die Karlsruher Kombilösung: U-Bahn und Autotunnel für die Innenstadt
Eine ähnliche Bauzeit wie das Badische Staatstheater hat auch die neu eingeweihte Karlsruher U-Bahn, deren Netz eines der kürzesten Deutschlands ist und fast 1,5 Milliarden Euro kostete. Wie auch bei der Bauplanung des Badischen Staatstheaters konnte das Kostenbudget nicht gehalten werden. Um mehr Platz in der Innenstadt zu schaffen und eine Fußgängerzone in der Kaiserstraße zu ermöglichen, wurde das Vorhaben 2002 mit 55 % Zustimmung in einem Bürgerentscheid beschlossen.[7] Für die Kombilösung aus unterirdischer Straßenbahn und Autotunnel unter der Kriegsstraße waren ca. 500 Millionen Euro die Zielvorgabe.
In den folgenden Jahren leistete sich Karlsruhe jedoch eine Odyssee an neuen Kosten: Im Jahr 2004 stand auf dem Bauantrag eine Summe von 495 Millionen Euro, was sogar unter den eingeplanten Kosten lag.[8] Nach dem abgeschlossenen Ausschreibungsverfahren stellten sich die Kosten auf 647 Millionen Euro ein. Trotz der großen finanziellen Bedenken wurde das Bauprojekt fortgesetzt. Im Jahr 2014, der Tunnel hatte zu diesem Zeitpunkt schon Gestalt angenommen, kommen Zusatzkosten von 44 Millionen Euro hinzu.[9]
2015 kommt es dann zum großen Kostenknall: 905 Millionen Euro sollten der Autobahntunnel und die U-Bahn nun kosten. Auch wird klar, dass das Bauende 2016 verfehlt und die Eröffnung auf 2021 verschoben wird. Trotzdem werden in dieser Zeit enorme Baufortschritte verzeichnet: Baustellen an verschiedenen Orten werden abgeschlossen und die Arbeiten verlagern sich weiter in das Innere des Tunnels.[10]
Im Jahr 2019 kommen dann Probleme mit der Baufirma hinzu. Durch die stark steigenden Preise für Baustoffe und Inflation werden weitere 100 Millionen Euro fällig, was den Gesamtpreis auf über eine Milliarde Euro erhöht. Zeitgleich wird angekündigt, dass die Eröffnung auf den Sommer 2021 verschoben wird.[11]
2020 rufen die immer weiter steigenden Baukosten den Bundesrechnungshof auf den Plan. Dieser beobachtete das Projekt genau und stellte infrage, ob sich das Projekt noch wirtschaftlich lohnt:
„Die bisherigen […] Prüfungsergebnisse des Bundesrechnungshofes sowie die mit dem Vorhaben zusammenhängenden, jetzt anstehenden Entscheidungen veranlassen den Bundesrechnungshof zu der Einschätzung, dass die Wirtschaftlichkeit des Gesamtvorhabens Stadtbahn Karlsruhe Innenstadterschließung nicht mehr gegeben sein dürfte“
so die ermahnende Einschätzung des Rechnungshofes in einem öffentlichen Schreiben.[12]
Kurzzeitig stand sogar der Entzug der Fördermittel zur Debatte. Die Zuschüsse des Bundes, immerhin 60 % der Baukosten, hätten aufgrund der Bedenken des Bundesrechnungshofes entzogen werden können. Baden-Württemberg und Karlsruhe, die jeweils 20 % der Kosten tragen, hätten dann alles übernehmen müssen.[13]
Am 11. Dezember 2021 ist es dann endlich so weit: Nach verdoppelter Bauzeit und verdreifachten Baukosten auf 1,5 Milliarden Euro wird die U-Bahn in Karlsruhe unter Applaus der ersten Fahrgäste eingeweiht. Mit den Worten „Damit beginnt das neue Karlsruhe“ eröffnete Oberbürgermeister Mentrup die sieben unterirdischen U-Bahn-Stationen. Auch das Feedback der Karlsruherinnen und Karlsruher über das fertige Großbauprojekt ist überwiegend positiv.[14]
Der zweite Teil der Kombilösung – der Autotunnel – ist zwar schon fertiggestellt, jedoch lässt die Eröffnung weiterhin auf sich warten. Laut eines Berichts des SWR stehen die Materialien und die Technik des Tunnels derzeit auf dem Prüfstand. In dem Bericht heißt es, dass ein Vogel in eine Turbine geraten ist, woraufhin „die Rotorblätter durch die Gegend geflogen“ sind.[15] Wie auch beim Badischen Staatstheater werden die Folgekosten der Kombilösung den Karlsruher Finanzhaushalt auch in Zukunft sehr belasten: Mit Kosten von bis zu 50 Millionen Euro muss gerechnet werden.
Ein lebensgefährlicher Autotunnel mit fliegenden Rotorblättern, eine Kostenerhöhung um 200 % und verdoppelte Bauzeit verdient den zweiten Platz im Ranking.
3. Stadthalle Karlsruhe: Sanierung mit Tücken
Neben den gigantischen Zahlen der 1,5-Milliarden-Kombilösung oder dem 700-Millionen-Staatstheater wirkt die Stadthalle mit kalkulierten 76,41 Millionen wie ein kleines Bauprojekt. Allerdings liegt das Problem der Stadthalle, dessen Sanierungsumbau dringend notwendig war, vor allem im Bauprozess, der die Kosten vermutlich auf 134 Millionen Euro steigen lässt.[19] [20]
„Wir können alles – außer bauen“, bringt es Stadträtin Petra Lorenz der Freien Wähler und FÜR Karlsruhe Fraktion in ihrer Haushaltsrede 2021 auf den Punkt. Das Münchner Planungsbüro, welches für den Bauprozess die Verantwortung trug, scheiterte an der Stadthalle und das Bauprojekt musste neu vergeben werden. Während Oberbürgermeister Mentrup das Bauprojekt verteidigt, ist der Gemeinderat über die Planung des Bauvorhabens entsetzt: „Dass wir unsere Stadthalle in die Hände einer Firma geben, die dem Bauvorhaben nicht gewachsen ist, ist ein Armutszeugnis“, bemerkt Stadtrat Jürgen Wenzel. Nun verschiebt sich die Bauzeit bis ins Jahr 2025, sodass die Stadthalle dann für 7 Jahre geschlossen sein wird. Trotzdem sah sich der Gemeinderat gezwungen, das Projekt fortzusetzen:
„Bei den enormen Kosten des Staatstheaters hätte sich ein kompletter Neubau aus finanzieller Sicht gerechnet, aber bei der Stadthalle müssen wir in den sauren Apfel beißen. Ein kompletter Neubau wäre auf jeden Fall wesentlich teurer, als das Projekt jetzt nach Plan weiterzubauen. Aber die Karlsruher Stadtfinanzen werden von den verdoppelten Baukosten zusätzlich belastet“
so Stadtrat Wenzel.
Mit der wohl fehlerhaftesten Planung und dem Scheitern des Generalplaners sichert sich die Stadthalle Platz 3 im Bauprojektranking.
4. BBBank Wildpark: das neue KSC-Stadion
2018 stimmte der Karlsruher Gemeinderat für den Umbau des KSC-Stadions mit einem Kostenbudget von 122 Millionen Euro. Das Stadion am Adenauerring erhält einen kompletten Neubau und einen neuen Namen: BBBank Wildpark. Nach der Planung der Stadt sollten die Bauarbeiten im Sommer 2022 pünktlich zur neuen Saison abgeschlossen werden und Platz für mehr als 34.000 Fans bieten.[16] Doch auf der Baustelle und bei der Zusammenarbeit zwischen Stadt und Verein lief es unrund: Die Vereinsspitze des KSC fand sich nicht ausreichend in die Planungen der Umbauarbeiten involviert. Zusätzlich verhinderte die Nachjustierung der Dachkonstruktion sowie der neu geordnete Birkenparkplatz eine fristgerechte Fertigstellung im Mai 2022. Nun werden die Bauarbeiten bis in den Sommer 2023 andauern und diese Saison muss auf einer Baustelle gespielt werden. Als Folge kam es zum Rechtsstreit zwischen dem Verein und der Stadt Karlsruhe vor dem Landesgericht.[17]
„Leider wurde bei diesem Projekt nicht an einem Strang gezogen. Dass sich die Stadtverwaltung mit unserem Verein nicht außergerichtlich einigen konnte, spricht nicht für ein gutes Miteinander in unserer Stadt. Mit Problemen bei großen Bauprojekten kennen wir uns ja aus. Dass man sich aber mit den Verantwortlichen überwirft, ist ein anderes Level“
findet Stadtrat Friedemann Kalmbach, Fraktionsvorsitzender der FW|FÜR Karlsruhe.
Gleichzeitig stiegen die Baukosten von 122 Millionen auf 155 Millionen Euro. Mit dem Krieg in der Ukraine, hohen Kosten für Baustoffe und der steigenden Inflation sind weitere Kostensteigerungen über die aktuelle Summe hinaus nicht ausgeschlossen. Vergleicht man jedoch den Preisanstieg des Wildparkstadions von 27 % mit dem durchschnittlichen Preisanstieg bei öffentlichen Bauprojekten in Deutschland von 44 % ist Karlsruhes Stadion schon fast wieder ein Vorzeigeprojekt.[18]
Man kann erkennen, dass Karlsruhe ein schönes Stadion bekommen wird. Dass der KSC diese Saison auf einer Baustelle spielen und sich die Stadtverwaltung mit den Verantwortlichen verkrachte, bringt das Wildparkstadion auf einen wackeligen Platz 4 der teuer gewordenen Bauprojekte in Karlsruhe.
5. Turmbergbahn oder Sporthallen?
Ob die Turmbergbahn und Sporthallen bald den fünften Platz im Ranking bilden? Im April 2022 stimmte der Karlsruher Gemeinderat für die Modernisierung der Turmbergbahn. Die historische Standseilbahn in Karlsruhe Durlach erhält eine Komplettsanierung für ganze 21 Millionen Euro, soll verlängert und nach der Sanierung an das Tarifnetz des KVV angeschlossen werden.[21] Die Verkehrsbetriebe Karlsruhe, die die veranschlagten Kosten übernehmen, werden jedoch von städtischen Mitteln finanziert. So bleiben die entstehenden Ausgaben für die Turmbergbahn am bereits angeschlagenen Karlsruher Finanzhaushalt hängen. Bedenken wegen der finanziellen Belastung kam aus der Fraktion FW|FÜR:
„Wir sehen es in Anbetracht der desolaten Haushaltslage als nicht möglich, an dem Vorschlag der Stadtverwaltung zuzustimmen. Die Turmbergbahn ist ein schönes Besucherziel im Raum Karlsruhe, aber wir stehen in der Verantwortung, mit dem Geld der Bürgerinnen und Bürger klug umzugehen. Die Erfahrung von den andern Großbauprojekten zeigt, dass die Kosten noch weiter steigen werden. Die Endsumme wird laut eines externen Berichts bei 40 bis 50 Millionen Euro liegen – neuen Kosten können wir nicht zustimmen“
sagt Stadträtin Petra Lorenz im Gemeinderat.
Weitere Sanierungen sind auch für einige Karlsruher Sporthallen dringend nötig. Viele Sportstätten kommen für den Sportunterricht oder Freizeitaktivitäten aufgrund ihres schlechten Zustandes nicht mehr infrage. Durch die großen Sanierungsarbeiten in den Sporthallen, bleibt meistens kein Platz mehr für regelmäßigen Sportunterricht: Die Lage spitzt sich so weit zu, dass sich Eltern veranlasst sahen, einen öffentlichen Brief an die Stadt zu schreiben. Dort wird darauf hingewiesen, dass 62 Klassen aus ganz Karlsruhe von Sportausfall betroffen sind. In eine andere Halle auszuweichen ist durch zu lange Fahrzeiten schwer zu realisieren. Inzwischen verzichten einige Schulen auf Sportstunden, um anderen einen Hallenplatz zu ermöglichen.[22]
Die Neusanierung der Turmbergbahn und die Instandhaltung von Sporthallen in ganz Karlsruhe würden die Ausgaben für Bauprojekte weiter erhöhen und bilden somit den fünften Platz des Karlsruher Baurankings.
Großbaustelle Karlsruher Finanzen
Karlsruhes Schuldenlast ist in den vergangenen Jahren enorm gestiegen. Während man sich im Jahr 2018 noch im baden-württembergischen Schuldendurchschnitt von 2.869 Euro je Einwohner befand, liegt man im Jahr 2021 schon bei 4735 Euro. Im Vergleich: Die Landeshauptstadt Stuttgart mit ihrer Großbaustelle Stuttgart 21 liegt bei der Pro-Kopf-Verschuldung bei 2.314 Euro.[23]
Karlsruhes dunkelrote Zahlen sind schon lange kein Geheimnis mehr, was die Stadtverwaltung und den Gemeinderat mit einer Mehrheit aus SPD und Grünen jedoch nicht davon abhielt, weitere Ausgaben zu genehmigen. Finanzbürgermeisterin Gabriele Luczak-Schwarz (CDU) warnt vor schweren Jahren:
„Falls wir unseren Kurs nicht korrigieren, schlittern wir in den nächsten Jahren in eine Verschuldung, die dann so nicht mehr genehmigungsfähig sein wird.“[24]
Dies hätte zur Folge, dass das Haushaltsrecht der Stadt an die Landesverwaltung abgegeben werden müsste. Das bedeutet, dass bei drückenden Schulden nur noch allernötigste Investitionen von der Landesverwaltung genehmigt werden würde und es keinen finanziellen Spielraum für die Stadt mehr gäbe.
Die Hauptursache der hochdefizitären Finanzen liegt nicht an fehlenden Einnahmen. Dank vielen Unternehmen und guten Lebensbedingungen stimmen die Steuereinnahmen und Wirtschaftlichkeit der Stadt. Die Stadtfinanzen scheiten, da zu viel Geld ausgegeben wird. So wurden in den vergangenen Jahren viele neue Stellen im städtischen Dienst geschaffen, was jedoch nicht vor Personalmangel in relevanten Stadtämtern wie dem Bürgeramt schützt, wo seit Monaten ein Bearbeitungsstau vorherrscht. Zusätzlich sind viele der städtischen Gesellschaften nicht profitabel:
„Viele unserer Gesellschaften wie die VBK oder die KVV leben von enormen Defizitausgleichen der Stadt. Wenn die Defizite an diesen Stellen abgemildert werden könnten, dann würde dies zur finanziellen Entspannung beitragen. Dort gibt es einiges zu tun. Dass die lokalen Unternehmen mit sehr hohen Gewerbesteuerabgaben jedoch die Misswirtschaft der Stadt ausgleichen müssen, lässt uns für die Zukunft zweifeln, ob Karlsruhe ein Technologiestandort mit vielen aufstrebenden Unternehmen bleiben kann. Unternehmerfreundlich ist das jedenfalls nicht“
so Stadträtin und stellv. Präsidentin des Handelsverbands Nordbaden Petra Lorenz.
So ist festzustellen, dass Karlsruhes Finanzen an vielem leiden: Zu viel städtisches Personal, ein ausgabefreudiger Gemeinderat und eine Reihe von Großbauprojekten, die in Baukosten, Bauzeit und Bauplanung schief gingen. Großstädte wie Hamburg und Stuttgart leisten sich ebenfalls ein solch riskantes Bauvorhaben, Karlsruhe leistet sich fünf davon.
3 Ideen, wie solche Bauprobleme in Zukunft vermieden werden können
Was kann Karlsruhe tun, um in Zukunft Probleme bei Großbauprojekten zu vermeiden? Die Fraktionsgemeinschaft, die die Karlsruher Bauprojekte in ihrer Entwicklung im Gemeinderat begleitete, hat drei Ideen, um die Bauprojekte der Stadt in Zukunft transparenter, klarer und koordinierter durchzuführen.
Eine klare Bauanalyse / Bedarfsanalyse / Machbarkeitsstudie durch ein externes Gremium
Die Kosten und Baupläne der Karlsruher Großbauprojekte änderten sich im Laufe der Baupozesse oft: Bauzeiten wurden verlängert, Kosten mussten angepasst und Bauunternehmen gewechselt werden. Mit einer umfassenden Machbarkeitsstudievor Beginn des Bauprozesses könnten Termine und Kosten eingehalten werden. In einer Machbarkeitsstudie werden Großprojekte auf ihre Durchfühbarkeit geprüft, ob die veranschlagten Kosten und die geplante Bauzeit umsetzbar sind oder korrigiert werden müssen. Solch eine Studie wird in Zusammenarbeit von Stadt, Bauunternehmen und einem externen Expertengremium erarbeitet. Dadurch wären alle Beteiligten in die Planung eingebunden und alle Perspektiven werden beleuchtet. Durch einen externen Expertenkreis oder einer Stabsstelle zur Projektsteuerung, die mit Bauingenieuren, Architekten, Finanz- und Wirtschaftsexperten besetzt wird, wird zwischen Stadtverwaltung und Bauunternehmen vermittelt und es kann eine unabhängige Meinung eingebracht werden. Denkbar wären auch partnerschaftliche Verträge mit Büros und Bauunternehemen und Honorarboni für Planer und Ausführende bei Kosteneinsparungen auszuloben. Zusätzlich können Poltikerinnen und Politiker des Gemeinderates und der Stadtverwaltung eine unabhängige Expertenmeinung hinzuziehen, sowie das Bauunternehmen Unterstützung durch weitere Experten erhalten. Eine Machbarkeitsstudie kann aber auch während des Bauprozesses eingesetzt werden, um ungeplante Bauänderungen auf ihren Nutzen zu überprüfen.
Moderne IT-gestützte Planungsmethoden wie Building Information Modeling (BIM)
Um die Planung strukturierter zu gestalten, kann in Zukunft das Building Information Modeling (BIM) einbezogen werden. Durch das BIM wird in der Planungsphase das Bauprojekt digital visualisiert und damit die Bauvorbereitungen fundamental verändert. Von allen Baubeteiligten werden die Informationen der einzelne Bauphasen in die Modellierungssoftware eingegeben, sodass Kosten und Bauzeit konkret berechnet werden können.
Dazu brauch es eine genaue Koordination der Baubeteligten sowie müssen die Informationen – wie beispielsweise das benötigte Baumaterial, die vorgesehene Größe des Baus oder die Anzahl der Türen – exakt sein, damit das BIM-Programm genaue Werte ermitteln kann. Erfahrungsberichte über das BIM zeigen, dass das Risiko einer Verschleppung der Planungs- und Bauzeit deutlich reduziert werden, der Arbeitsaufwand effizienter gestaltet wird und Kosten transparenter und exakter ermittelt werden können.[25] Diese Kosten müssen mittel- und langfristig im der Finanzplanung abgebildet werden.
Gemeinderat: Öffenliches Geld nur bereit stellen, wenn klar geplant worden ist.
Der Karlsruher Gemeinderat gab in den vergangenen 20 Jahren 2,5 Milliarden Euro für Bauprojekte aus. Umso fataler: Eingeplant waren für alle Bauprojekte ca. 850 Millionen Euro. Unkoordinierte Bauplanungen und Anpassungen führten zu einer mehr als doppelt so hohen finanziellen Belastung für den Karlsruher-, Landes und Bundeshaushalt als vorgesehen.
Bauaufträge sollten erst mit fertig vorliegender Ausführungsplanung erteilt werden.
„In Zukunft sollte gelten: Erst die Planung, dann dass Geld. Wir mussten lernen, dass es nichts bringt, dass Geld der Bürgerinnen und Bürger übereifrig zu verabschieden, was dann möglicherweise fehlerhaft verbaut wird. In Zukunft sollten wir uns einen klaren Rahmen setzen und uns daran halten – in der Bauzeit, sowie auch in den Baukosten“
so Stadtrat Friedemann Kalmbach (FÜR Karlsruhe).
Oft wurde Geld im Gemeinderat freigegeben, weil ohne weiteres Geld das Bauprojekt zum Stillstand gekommen wäre. Um in Zukunft ausweglose Bausituationen zu vermeiden, muss der Gemeinderat sich selbst begrenzen und verantwortungsvoller mit öffentlichen Geldern umgehen. Dies kann geschehen, indem eine Kostenobergrenze festgelegt wird, durch die Leistungskürzungen in Kauf genommen werden müssen.
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[1] Mehrspartenhaus | Über uns | Service | Badisches Staatstheater Karlsruhe (o. D.): [online] https://www.staatstheater.karlsruhe.de/service/ueber-uns/mehrspartenhaus/ [abgerufen am 23.09.2022].
[2] FÜR Karlsruhe, Freie Wähler | (2021): FAQ Badisches Staatsheater, fwfuer.de, [online] https://fwfuer.de/faq-badisches-staatstheater-karlsruhe/ [abgerufen am 07.09.2022].
[3] Freie Wähler | FÜR Karlsruhe (2017): Kosten für Bau am Badisches Staatstheater viel höher als veranschlagt, fwfuer.de, [online] https://fuerka.de/kosten-fuer-bau-am-badisches-staatstheater-viel-hoeher-als-veranschlagt-2850/ [abgerufen am 05.09.2022].
[4] dpa (2021): Badischen Staatstheater in Karlsruhe wird für 570 Millionen Euro umgebaut, www.t-online.de, [online] https://www.t-online.de/region/karlsruhe/news/id_90277868/badischen-staatstheater-in-karlsruhe-wird-fuer-570-millionen-euro-umgebaut.html [abgerufen am 25.09.2022].
[5] Freie Wähler | FÜR Karlsruhe (2021): Abstimmung zum Staatstheater: Start in ein finanzielles Abenteuer, fwfuer.de, [online] https://fwfuer.de/abstimmung-zum-staatstheater-start-in-ein-finanzielles-abenteuer-987/ [abgerufen am 05.09.2022].
[6] deutschlandfunkkultur.de (o. D.): Kostenexplosion bei der Elbphilharmonie – Wie Hamburg die Notbremse zog, Deutschlandfunk Kultur, [online] https://www.deutschlandfunkkultur.de/kostenexplosion-bei-der-elbphilharmonie-wie-hamburg-die-100.html [abgerufen am 25.09.2022].
[7] Der lange Weg zur Karlsruher U-Bahn – eine Chronologie (2021): die neue welle, [online] https://www.die-neue-welle.de/display-news/der-lange-weg-zur-karlsruher-u-bahn-eine-chronologie [abgerufen am 25.09.2022].
[8] Der lange Weg zur Karlsruher U-Bahn – eine Chronologie (2021): die neue welle, https://www.die-neue-welle.de/display-news/der-lange-weg-zur-karlsruher-u-bahn-eine-chronologie [abgerufen am 25.09.2022].
[9] Notararigo, Lars (2022): Über Jahre unter Tage: Eine Bilderreise durch die Geschichte der Karlsruher … | ka-news, ka-news.de, [online] https://www.ka-news.de/region/karlsruhe/ueber-jahre-unter-tage-eine-bilderreise-durch-die-geschichte-der-karlsruher-kombiloesung-art-2733358 [abgerufen am 25.09.2022].
[10] Badische Neueste Nachrichten (2021): Chronik einer Kostenexplosion: Wie der Preis für die U-Strab in Karlsruhe sich fast verdreifachte, Badische Neueste Nachrichten, https://bnn.de/karlsruhe/chronik-einer-kostenexplosion-wie-der-preis-fuer-die-u-strab-in-karlsruhe-sich-fast-verdreifachte [abgerufen am 25.09.2022].
[11] Badische Neueste Nachrichten (2021): Chronik einer Kostenexplosion: Wie der Preis für die U-Strab in Karlsruhe sich fast verdreifachte, Badische Neueste Nachrichten, https://bnn.de/karlsruhe/chronik-einer-kostenexplosion-wie-der-preis-fuer-die-u-strab-in-karlsruhe-sich-fast-verdreifachte [abgerufen am 25.09.2022].
[12] Petersen, Michael (2020): Rechnungshof zweifelt an Zahlen – Bundeszuschüsse für Stadtbahn in Gefahr, stuttgarter-zeitung.de, [online] https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.rechnungshof-zweifelt-an-zahlen-bundeszuschuesse-fuer-stadtbahn-in-gefahr.8c51fad7-4f05-445a-b0d1-6410c2466770.html [abgerufen am 25.09.2022].
[13] Petersen, Michael (2020b): Rechnungshof zweifelt an Zahlen – Bundeszuschüsse für Stadtbahn in Gefahr, stuttgarter-zeitung.de, [online] https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.rechnungshof-zweifelt-an-zahlen-bundeszuschuesse-fuer-stadtbahn-in-gefahr.8c51fad7-4f05-445a-b0d1-6410c2466770.html [abgerufen am 25.09.2022].
[14] Seinsoth, Dorothee/Markus Bender/Jürgen Essig (2021): Offizielle Eröffnung: Viele Karlsruher wollen die neue U-Bahn sehen, swr.online, [online] https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/karlsruhe/eroeffnung-kombiloesung-karlsruhe-100.html [abgerufen am 25.09.2022].
[15] Essig, Jürgen (2022): Übergangslösung für den neuen Karlsruher Straßentunnel, swr.online, [online] https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/karlsruhe/uebergangsloesung-fuer-strassentunnel-kombiloesung-100.html [abgerufen am 25.09.2022].
[16] Badische Neueste Nachrichten (2022): Wildparkstadion-Neubau in Karlsruhe: Alles zum neuen KSC-Stadion, Badische Neueste Nachrichten, [online] https://bnn.de/sport/ksc/ksc-stadion-neubau-karlsruhe-wildparkstadion-bbbank-wildpark-alle-infos [abgerufen am 25.09.2022].
[17] Zurawski, Mathias (2022): Neues Karlsruher Wildparkstadion: „Projekt steht auf der Kippe“, swr.online, [online] https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/karlsruhe/fertigstellung-von-karlsruher-stadionneubau-auf-der-kippe-100.html [abgerufen am 25.09.2022].
[18] Badische Neueste Nachrichten (2022b): Wildparkstadion-Neubau in Karlsruhe: Alles zum neuen KSC-Stadion, Badische Neueste Nachrichten, [online] https://bnn.de/sport/ksc/ksc-stadion-neubau-karlsruhe-wildparkstadion-bbbank-wildpark-alle-infos [abgerufen am 25.09.2022].
[19] Notararigo, Lars (2021): Dilemma um Karlsruher Stadthalle wird teuer: Sanierung kann am Ende 137 … | ka-news, ka-news.de, [online] https://www.ka-news.de/region/karlsruhe/dilemma-um-karlsruher-stadthalle-wird-teuer-sanierung-kann-am-ende-137-millionen-euro-kosten-fertigstellung-2025-art-2717641 [abgerufen am 25.09.2022].
[20] Meier, Gabriel [Freie Wähler und FÜR Karlsruhe Fraktion] (2021): Karlsruher Großprojekte: Stadion, Staatstheater & Stadthalle | Die Nerdecke, YouTube, [online] https://www.youtube.com/watch?v=CckPIaCqnqs [abgerufen am 25.09.2022].
[21] Erneuerung der Durlacher Turmbergbahn (2021): KVV, [online] https://www.kvv.de/unternehmen/kvv-news/detail/buerger-info-zum-umbau-der-turmbergbahn.html [abgerufen am 25.09.2022].
[22] Hiegle, Lukas (2022): „Kinder müssen es ausbaden“: Karlsruher Eltern fordern Lösungen für … | ka-news, ka-news.de, [online] https://www.ka-news.de/region/karlsruhe/sporthallen-art-2718578 [abgerufen am 25.09.2022].
[23] Schulden der Gemeinden/Gv. und deren Eigenbetrieben (o. D.): [online] https://www.statistik-bw.de/FinSteuern/Schulden/SC_GE_KR.jsp [abgerufen am 25.09.2022].
[24] Gräber, Daniel (2021): Karlsruher Haushaltsplan: Die Finanzplanung ist alarmierend!, Freie Wähler | FÜR Karlsruhe im Gemeinderat Karlsruhe, [online] https://fwfuer.de/karlsruher-haushaltsplan-die-finanzplanung-ist-alarmierend-1094/ [abgerufen am 25.09.2022].
[25] Building Information Modeling (o. D.): Google Books, [online] https://books.google.de/books?hl=de&lr=&id=E9FJCgAAQBAJ&oi=fnd&pg=PR7&dq=Building+Information+Modeling&ots=i5x4KD_Su6&sig=844P5iZY0MWWa66L9lZFN6blc-c#v=onepage&q=Building%20Information%20Modeling&f=false [abgerufen am 29.09.2022].